Der Frühlingswind spielte mit den herzhaft grünen Blättern der Bäume. Hier und da leuchtete ein Baum weiß und rosa zwischen den anderen im Wald hervor, Bienen flitzten von Blüte zu Blüte. Das halb verrottete, braune Laub vom letzten Herbst, das überall auf dem schmalen Wanderweg lag, raschelte unter Markus’ Turnschuhen. Der Weg hatte eine Weile flach dahingeführt, wurde jetzt aber allmählich steiler als er sich den kleinen Berg in Richtung des Gipfels und der sich dort befindenden Hütte nach oben wand. Der 13-Jährige ließ seinen Rucksack von seinem Rücken auf einen Arm nach vorne rutschen und nahm die Wasserflasche heraus, um einen Schluck zu trinken. In dem Rucksack befand sich außerdem noch ein Buch, denn er hatte vor, im Wald zu lesen.
Vor zwei
Tagen, am Samstag, dem ersten Tag der Osterferien, war er zum ersten Mal zu der
Hütte gewandert. Beim Heruntergehen hatte er einen schmalen, verwachsenen
Seitenweg entdeckt und war ihm gefolgt, weil das Wetter schön war und er nichts
Besseres zu tun hatte. Nach einigen Minuten, in denen der Pfad immer schwerer
zu erkennen wurde, als wäre er schon seit einiger Zeit von niemandem mehr
benutzt worden, erreichte er eine kleine Lichtung mitten im Wald, auf der eine
alte, mit Moos bewachsene Bank stand. Die Lichtung war ringsum von hohen Tannen
umgeben, die in annähernder Kreisform standen. Auf der anderen Seite der
Lichtung führte ein Abhang steil nach unten. Markus ruhte sich für ein paar
Minuten auf der Bank aus und genoss das warme Licht der Frühlingssonne, das
zwischen den breiten Ästen der alten Nadelbäume hindurchdrang. Als er gerade
gehen wollte, entdeckte er auf dem mit Nadeln bedeckten Waldboden etwas Rotes.
Er sah genauer hin und erkannte, dass es ein Bleistift war. Neugierig hob der
Junge den Stift auf und betrachtete ihn. Er schien neu zu sein, die rote Farbe
war noch an keiner Stelle abgerieben und die Mine war ziemlich spitz. Er hatte
bisher angenommen, dass schon seit längerer Zeit niemand mehr auf der Lichtung
gewesen war, weil der Pfad so verwachsen war, aber anscheinend kannte doch noch
jemand anders diese Bank und war vor kurzem hier gewesen. Er steckte den Stift
in seinen Rucksack und machte sich auf den Weg nachhause.
Zu
dieser Lichtung war Markus jetzt unterwegs, um dort ein paar Stunden lang
ungestört zu lesen. Sie lag eine halbe Stunde von der Wohnung in dem kleinen
Ort Rohr, in die er mit seinen Eltern vor knapp einem Monat gezogen war,
entfernt. Als er schließlich den Pfad erreichte, wäre er fast daran
vorbeigegangen, so unscheinbar war er. Es war wohl ein glücklicher Zufall
gewesen, dass ihm der Weg beim letzten Mal überhaupt aufgefallen war. Er bog
vom Hauptweg ab, duckte sich unter einem tief hängenden Ast und folgte dem
leicht bergauf führenden Pfad. Der Weg zur Lichtung kam ihm länger vor als beim
ersten Mal, da er nicht nur einfach so einem Weg folgte, sondern ungeduldig
darauf wartete, sein Ziel zu erreichen. Als er schließlich am Rand der Lichtung
ankam, blieb er abrupt stehen. Jemand saß auf der Bank. Er war so überrascht,
dass er erst einmal nur da stand und die Person betrachtete. Es war ein
Mädchen, ungefähr so alt wie er, vielleicht etwas jünger — er war nie gut darin
gewesen, das Alter Anderer einzuschätzen. Sie hatte blonde Haare, die etwas
länger als schulterlang waren, trug ein T-Shirt und Shorts und war über einen
Zeichenblock gebeugt, auf dem sie mit einem roten Bleistift zeichnete. Als er
gerade beschloss, sich umzudrehen und den Weg zurückzugehen, hob sie den Kopf.
Sie starrte ihn einen Moment lang an, dann lächelte sie und sagte: »Hallo!«
»Hallo.«
Sie
sahen einander an, dann brach Markus das Schweigen.
»Tut
mir leid, ich wollte dich nicht stören, ich geh dann wieder.«
Er
versuchte, möglichst nicht nervös zu klingen, was ihm nur halbwegs gelang. Mit Mädchen
zu sprechen gehört nun wirklich nicht zu seinen Stärken.
»Du
störst mich doch nicht«, sagte sie. »Ich wusste gar nicht, dass außer mir noch
jemand diese Lichtung kennt. Also irgendwann war sie sicher bekannter, sonst hätte
man hier ja keine Bank hingestellt, aber ich habe hier noch nie jemand anderen
gesehen.«
»Ich
hab den Weg auch nur zufällig gesehen.« Sein Blick fiel auf den Bleistift in
ihrer Hand. Er nahm seinen Rucksack vom Rücken und holte den Stift heraus, den
er bei der Bank am Boden gefunden hatte. »Ist das deiner? Ich hab ihn am
Samstag hier gefunden.«
»Ja!
Danke, ich verliere meine Bleistifte andauernd, ich schaffe es immer, sie
irgendwo zu vergessen.« Sie grinste breit.
Er
grinste zurück und reichte ihr den Bleistift. Einen Moment lang berührten sich
ihre Finger. Er überlegte wie wild, was er als nächstes sagen sollte, aber
natürlich fiel ihm nichts ein. Gott sei Dank schien sie, ihm Gegensatz zu ihm,
keine Probleme mit Smalltalk zu haben.
»Ich
bin die Sophie, Sophie Meilinger, und du?«
»Markus
Steindl.«
»Ich komme
oft hierher, wir wohnen ungefähr eine viertel Stunde Minuten von hier.« Sie
deutete hinter sich in Richtung des Abhangs, der links von ihr hinter den
Tannen begann. »Hier kann ich in Ruhe zeichnen, da stört mich niemand.«
»Das stimmt.
Ich wollte zum Lesen herkommen, weil es hier so schön ruhig ist.«
»Das
kannst du doch immer noch machen.« Sie rutschte eine Stück auf der Bank
hinüber. »Hier ist genug Platz.«
»Nein, ich
will dich nicht stören.« Er mochte sie, aber es fiel ihm vor Nervosität schwer,
mit ihr zu sprechen, er wollte einfach nur weg.
»Blödsinn!
Und so viele versteckte Lichtungen mit alten Bänken gibt es hier nicht, also
bleibst du am besten hier, wenn du in Ruhe lesen willst.« Sophie klopfte neben
sich auf die Bank.
Widerwillig
setzte er sich links neben sie, den Rucksack stellte er vor sich ab.
»Und,
was liest du?«, fragte sie ihn.
Markus holte
das Buch aus seinem Rucksack und hielt es dem Mädchen hin. Es war »Der goldene
Kompass« von Philip Pullmann. Sie nahm es ihm aus der Hand und betrachtete das
Cover, dann las sie die Zusammenfassung auf der Rückseite.
»Das
klingt ja interessant. Gefällt es dir?«, fragte sie.
»Ich hab
erst angefangen, aber ich find es soweit echt gut.«
Sophie
gab ihm das Taschenbuch zurück. »Na dann will ich dich nicht beim Lesen
stören.« Sie griff nach Zeichenblock und Bleistift, und war einen Moment später
in ihre Zeichnung vertieft. Sie saß schräg da, den linken Fuß, der in einem
lädierten, schwarzen Converse-Schuh steckte, auf der Bank, den Block auf ihren Oberschenkel
gelegt. Markus sah ihr kurz zu, aber sie hatte den Block so gedreht, dass er
nicht sehen konnte, was sie zeichnete. Dann schlug er das Buch auf und begann
zu lesen. Er versuchte, sich auf die Geschichte zu konzentrieren, warf aber
immer wieder einen verstohlenen Blick auf das Mädchen neben ihm. Schließlich verlor
er sich aber doch in dem spannenden Buch und vergaß die Welt um sich herum. Auf
der Lichtung war es still. Nur das Rascheln der Blätter im Wind, das gelegentliche
Zwitschern von Vögeln und das leise Kratzen von Sophies Bleistift auf dem
Papier waren zu hören.
Als er
das nächste Mal auf seine Armbanduhr sah, waren fast zwei Stunden vergangen. Er
konnte es kaum glauben, das Buch hatte ihn so gefesselt, dass ihm die auf der
Lichtung verbrachte Zeit viel kürzer vorkam. Die ganze Zeit über hatten die
beiden Kinder kein Wort gewechselt.
»Wie
spät ist es?«, fragte Sophie ihn jetzt.
»Bisschen
nach elf.«
»Meine
Mama hat gesagt, dass ich um zwölf zum Essen daheim sein soll, also hab ich
noch ein bisschen Zeit. Sagt du mir, wenn es Dreiviertel zwölf ist?«
»Klar.«
»Danke.«
Sie
begann wieder, zu zeichnen. Markus streckte seinen Kopf einen wenig, um einen
Blick auf ihre Zeichnung zu erhaschen, konnte aber immer noch nichts sehen. Er
betrachtete das Mädchen. Es biss sich in Konzentration auf die Unterlippe und
wandte seinen Blick nicht von seinem Zeichenblock ab. Eine blonde Strähne hing
ihm ins Gesicht. Plötzlich blickte es auf. Markus errötete leicht, als sich
ihre Blicke trafen, und sah hastig auf sein Buch hinunter, in das er einen
Finger als Lesezeichen gesteckt hatte. Er schlug es auf und las weiter, darauf
bedacht, ja nicht zu Sophie hinüber zu schauen. Doch die hatte bereits wieder
begonnen, zu zeichnen.
Vierzig
Minuten später sagte er ihr, dass es schon fast Dreiviertel war. Sie stand auf,
steckte sich die beiden Bleistifte in die Hosentasche und klemmte sich den
Zeichenblock unter den Arm.
»Kommst
du morgen auch wieder her?«, fragte das Mädchen ihn.
»Ähm…« Die
Frage überraschte ihn. Dann sagte er: »Ja, okay.«
»Cool!
Wieder um neun?«
»Okay«,
antwortete er, ohne vorher darüber nachzudenken, ob er da tatsächlich Zeit
hatte.
»Na
dann bis morgen!«, sagte Sophie grinsend. »Servus!«
»Tschüss!«
Das
Mädchen schlüpfte zwischen zwei Tannen hindurch und lief geschickt den Hang
hinab. Es hüpfte behände über eine umgestürzte Birke. Der Abhang war so steil,
dass er Sophie von der Bank aus nur einige Augenblicke lang zwischen den beiden
großen Bäumen sehen konnte, bevor sie aus seinem Blickfeld verschwunden war.
Dienstagvormittag. Markus
war auf dem Weg zur Lichtung. Wie den ganzen gestrigen Tag lang fragte er sich
auch jetzt wieder, wie zur Hölle es passiert war, dass sich ein Mädchen mit ihm
treffen wollte. In seiner alten Schule hatte er mit manchen Mädchen ab und zu
ein Wort gewechselt, in der neuen Schule noch gar nicht. Außerhalb der Schule?
Haha, guter Witz.
Als er
den Tannenkreis erreichte, war Sophie schon da und am Zeichnen. Heute hatte sie
ihre Haare mit einem roten Haargummi zusammengebunden.
»Hallo!«,
sagte er von weitem.
Sie
grinste ihn an. »Hey!«
Sie
machte auf der Bank Platz für ihn und er ließ sich neben ihr nieder.
»Wie
geht’s?«, fragte sie.
»Passt
eh.«
»›Passt
eh‹?«, ahmte sie ihn nach. »Was soll das denn heißen? Sag doch, dass es dir gut
geht. Oder geht’s dir etwa nicht gut? Bei dem tollen Wetter könnte ich das fast
nicht glauben.«
Er
wusste selbst, dass »passt eh« eine blöde Antwort auf die Frage war, aber er
sagte es trotzdem immer wieder. Dass sie ihn so direkt darauf ansprach,
überraschte ihn, und er war etwas beleidigt, weil er dachte, sie würde ihn
auslachen. Aber ihr freundliches Grinsen überzeugte ihn, dass sie es nicht so
meinte.
»Okay,
noch mal von vorn: Mir. Geht. Es. Gut!«, sagte Markus grinsend.
Sie lachte.
»Das ist besser.«
»Und
wie geht’s dir?«
»Passt
eh.«
Sie
streckte ihm ihre Zunge entgegen. Jetzt mussten sie beide lachen. Als sie sich
wieder eingekriegt hatten, fragte sie:
»Eigentlich
kenn ich alle in unserem Alter, die hier wohnen, aber dich hab ich noch nie
gesehen. Wo gehst du denn in die Schule? Ich bin im Gymnasium in Lilienfeld.«
»Ich
auch! Aber wir sind erst im Februar hierher gezogen, deshalb haben wir uns
wahrscheinlich noch nie gesehen. Ich bin in der 3G.«
»Ich
bin in der 3R1[1]. Latein
wollte ich nicht haben, ich kann schon Englisch nicht, da will ich nicht noch
eine Sprache lernen.«
Während
sie sich unterhielten, begann sie wieder zu zeichnen.
»Darf
ich sehen, was du zeichnest?«
»Erst,
wenn es fertig ist«, sagte sie, ohne aufzublicken.
Markus
holte sein Buch aus seinem Rucksack und legte es auf seinen Schoß.
»Und,
ist es immer noch gut?«, fragte das Mädchen ihn.
»Ja,
total.«
»Erzähl
mir mal, was da so passiert.«
»Ähm…
Okay, also da geht es um ein Mädchen, das heißt Lyra, und in der Welt hat jeder
Mensch einen Dæmon.«
Und so
erzählte er von Lyras Abenteuern in »Der goldene Kompass«. Anfangs fiel ihm das
Erzählen noch etwas schwer, doch mit der Zeit wurde es immer leichter und die
Worte sprudelten nur so hervor.
»Okay,
das waren jetzt ungefähr die ersten hundert Seiten, weiter hab ich noch nicht
gelesen.«
»Ich
hab schon geglaubt, du wirst gar nicht fertig, so begeistert wie du geredet
hast«, sagte sie lachend. »Das Buch musst du mir dann unbedingt borgen, wenn du
fertig bist, das klingt echt cool. Ich hab’ zuerst gedacht, das wäre wieder so
eine fade Liebesgeschichte wie Twilight oder so, wo das Mädchen nie was von
selber macht, aber die Lyra ist ja ganz anders.«
»Total,
die kann sich voll gut durchsetzen. Ja, wenn ich es ausgelesen hab’, kannst du
es dir gern ausborgen.«
»Danke,
da freu ich mich schon drauf. Na dann lies mal weiter.«
Und so
verging ein weiterer Vormittag, während die beiden lasen und zeichneten.
Diesmal saßen sie aber nicht stundenlang still da, sondern unterhielten sich
von Zeit zu Zeit über dies und das. Zu Mittag verabschiedeten sie sich wieder
voneinander, mit der Absicht, sich am nächsten Tag wieder um die gleiche Zeit
zu treffen.
Am Vorabend im Bett war
Markus seltsam aufgeregt gewesen, fast so, als wäre am nächsten Tag Heilig
Abend oder sein Geburtstag. Er musste die ganze Tag an Sophie denken, sie ging
im einfach nicht aus dem Kopf. Beim Gedanken an sie wurde er ganz hibbelig, er
konnte es kaum erwarten, sie wieder zu sehen.
Auch
dieses Mal war sie schon vor ihm da. Heute trug sie ein One-Direction-T-Shirt, einen
knielangen Rock mit Blumenmuster und Sandalen. Und natürlich war sie über ihren
Zeichenblock gebeugt. Nachdem sie sich begrüßt hatten, legte Sophie den Block zur
Seite und zog ihre Sandalen aus.
»Aaaaah,
das tut gut«, sagte sie, als sie ihre Zehen im nadelbedeckten Waldboden
vergrub. »Das musst du auch probieren, die Erde ist so weich!«
Markus
folgte ihrer Aufforderung und zog sich Turnschuhe und Socken aus. Langsam
senkte er seine nackten Füße, bis sie den Boden berührten. Sie hatte Recht, er
war wirklich unglaublich weich. Die alten, gelben Nadeln stachen ihn in die
Fußsohlen, aber auch das störte ihn nicht weiter. Sophie griff wieder nach
ihrem Block.
»Du zeichnest
ja wirklich lange am gleichen Bild«, sagte Markus.
»Nein,
das ist ein Neues, mit dem anderen bin ich gerade fertig geworden, bevor du
gekommen bist.«
»Wirklich?
Kann ich es sehen?«
Sie
klappte die vorherige Seite des Blocks herab und betrachtete sie.
»Ich
weiß nicht…«, sagte sie. Sie schien plötzlich fast schüchtern zu sein. Das war
das Letzte, was Markus von dem Mädchen erwartet hatte, das sonst immer so vollkommen
ungezwungen war. »Es ist nicht besonders gut.«
»Das
glaub’ ich dir nicht. Na komm, zeig her.«
»Okay…«
Sie
hielt ihm den Block hin. Er starrte die Zeichnung erst einmal einfach nur an.
»Ist es
so schlecht?«, fragte sie, als er nichts sagte. Sie klang leicht gekränkt.
»Nein,
Blödsinn, das ist einfach nur geil!«
Markus
hatte zuerst nur auf das Bild starren und nichts sagen können, weil es einfach
so ganz anders war, als er es sich erwartet hatte. Auf dem Bild waren zwei
anthropomorphe Pandabären zu sehen, die sich mit Lichtschwertern ein Gefecht
lieferten. Abgesehen von dem verrückten und nach Markus’ Meinung extrem coolen
Motiv überraschte ihn auch der Detailgrad der Zeichnung. Das Fell der Pandas
wirkte wie echt, Narben durchzogen den Körper des einen und der
Gesichtsausdruck der beiden Kämpfer war furchteinflößend.
»Das
sagst du doch nur so…«
»Nein, echt
jetzt, ich hab noch nie so ein cooles Bild gesehen.«
»Wirklich?«
»Ja-ah,
glaub mir das doch.«
Sie
strahlte ihn an.
»Danke!
Normalerweise zeige ich meine Zeichnungen niemandem.«
»Da ist
aber echt schade drum. Hast du viele solche Bilder?«
»Ja,
ganze Stapel.«
»Die
musst du mir mal zeigen.«
»Okay,
ich nehme dir morgen ein paar mit.«
»Cool!«
Markus
und Sophie unterhielten sich den ganzen Vormittag lang, zuerst über die
Zeichnung und wie sie darauf gekommen war. (Sie mochte Pandas und Star Wars.) Dadurch
kamen sie auf die Star-Wars-Filme zu sprechen, und von da auf viele andere
Themen. Es war seltsam: Einerseits war Markus extrem nervös, wenn er mit ihr
zusammen war, andererseits viel es ihm, wenn sie erst einmal begonnen hatten,
total einfach, mit ihr zu reden. Während sie sich unterhielten, warf er ihr
immer wieder verstohlene Blicke zu. Auf ihre glatten, blonden Haare, die sie heute
wieder offen trug, auf ihre Finger, die mit ihrem Bleistift spielten, auf die
feinen, hellen Haare auf ihren Unterarmen, auf ihre Zehen, die wirre Muster in
den Waldboden zeichneten, auf ihr allgegenwärtiges Lächeln. Es wurde viel zu
schnell Mittag.
»Morgen
Vormittag fahren wir nach St. Pölten einkaufen, aber wir können uns am
Nachmittag treffen, sagen wir um zwei?«, sagte Sophie.
»Okay,
ich hab’ eh den ganzen Tag Zeit, mir ist es egal.«
»Gut,
dann bis morgen.«
Sie
ging zwischen zwei Tannen hindurch und den Hang hinab, und nach kurzer Zeit
konnte er sie nicht mehr sehen.
Als
Markus am Abend im Bett lag und zu lesen versuchte, was ihm aber nicht so recht
gelang, da seine Gedanken immer wieder zu Sophie wanderten, wurde es ihm
schließlich auf einmal klar: Er hatte sich in sie verknallt. Zum allerersten
Mal in seinem Leben hatte er sich in ein Mädchen verliebt. Ein seltsamer
Gedanke. Während er darüber nachdachte, wie es sich wohl anfühlen würde, sie zu
küssen, schlief er ein.
Auf dem
Weg zur Lichtung am Donnerstag war Markus noch nervöser als er es die letzten
Tage gewesen war. Seine Handflächen und Achselhöhlen schwitzten vor Nervosität.
Heute war er zum ersten Mal vor ihr da. Er setzte sich und holte sein Buch
heraus. Zehn Minuten später hört er näherkommendes Rascheln, und dann stand
Sophie vor ihm, Zeichenblock und eine dicke Mappe unter dem Arm. Ihre Haare
schienen leicht feucht, wodurch sie im Sonnenlicht hübsch glänzten, und auf
ihrem T-Shirt (heute eines mit einem Panda) waren dunkle Flecken.
»Hat es
bei euch geregnet?«, fragte er, nachdem sie sich begrüßt hatten, wobei er
versuchte, möglichst gelassen zu wirken.
»Ja,
ein bisschen. Bei euch zuhause nicht?«
»Nein,
gar nicht.« Er sah nach oben. »Aber da sind ein paar Wolken, vielleicht kommt
der Regen noch.«
»Wahrscheinlich.
Na hoffentlich werden wir nicht ganz nass.«
Sie
legte die Mappe auf ihren Schoß und schlug sie auf.
»Schau,
ich hab dir einen Haufen Zeichnungen mitgebracht.«
Während
sie die Bilder betrachteten und sich unterhielten, verging die Zeit wie im
Flug. Auch Markus’ Nervosität verflog allmählich. Es war einfach so leicht und
angenehm, sich mit ihr zu unterhalten. Er musste sich nur davon abhalten, sie
allzu oft anzusehen. Oder sich vorzustellen, wie er sie küsste. Nachdem sie
alle Zeichnungen durchhatten, lasen beziehungsweise zeichneten sie wieder, so
wie immer. Als die Schatten länger wurden, hatte Markus das Buch schließlich
ausgelesen.
»Fertig«,
sagte er. »Jetzt kannst du es dir ausborgen.«
»Danke.«
Er gab
ihr das Buch. Sie sah sich um.
»Wie
spät ist es denn schon?«, fragte sie.
Er sah
auf seine Uhr.
»Schon
nach sechs.«
»Okay,
dann muss ich langsam nachhause. Morgen um neun?«
»Okay.«
Das
erste, was Markus am nächsten Morgen hörte, war das Prasseln von Regen an die
Fensterscheiben. Er liebte dieses Geräusch. Er kuschelte sich in seine
Bettdecke, lauschte und wurde wieder schläfrig. Herrlich. Er dachte an Sophie,
ihr Gesicht, ihre Haare, die in der Sonne glitzerten. Im nächsten Moment
verflog seine Freude am Regen. Bei dem Wetter konnte er sich wohl kaum mit ihr
im Wald treffen! Fort war das zufriedene Gefühl, der Gedanke, sie heute nicht sehen
zu können, machte ihn richtig deprimiert. Als seine Mutter mittags von der
Arbeit nachhause kam, lag er immer noch im Pyjama im Bett und schaute »Star Trek:
Voyager« auf seinem Tablet.
»Jetzt
stehst du aber dann bitte auf«, sagte sie.
Den
Rest des Tages verbrachte er auf seiner Couch, wo er begann, »Das magische
Messer«, die Fortsetzung zu »Der goldene Kompass«, zu lesen, und die Reise der »Voyager«
durch den Delta-Quadranten weiter auf dem kleinen Bildschirm des Tablets verfolgte.
Am
nächsten Tag verbesserten sich weder das Wetter noch Markus’ Stimmung. Es goss
immer noch aus Strömen, das Wasser im nahegelegenen Bach war bereits etwas
bräunlich. Er verbrachte den Samstag wie den Freitag, mit lesen und fernsehen. Sehnsüchtig
dachte er immer wieder an Sophie.
Ostersonntag.
Ostern! Der Gedanke daran, dass er nette Verwandte endlich wieder einmal
treffen würde, und an das gute Mittagessen, das seine Oma kochen würde, hob
seine getrübte Laune etwas. Auch das Wetter war wieder besser geworden, die
Sonne strahlte zwischen den Wolken hervor. Alles war noch feucht, und es roch
herrlich nach frischem Regen. Es wurde ein schöner Ostersonntag, so wie eigentlich
jedes Jahr soweit Markus sich zurückerinnern konnte.
Am
Ostermontag ging er früh, bevor der nächste Verwandtenbesuch anstand, zur
Lichtung. Am Vortag waren sie erst nach Sonnenuntergang heimgekommen, und am
Vormittag hatte er auch keine Zeit mehr dazu gehabt. Er erwartete sich
natürlich nicht, dass er Sophie dort antreffen würde, aber ihm war einfach
danach. Seine Mühe war nicht umsonst: Auf der Bank lang ein zusammengefalteter
Zettel, der mit einem großen, moosbewachsenen Stein beschwert war. Er hob den
Stein auf und warf ihn auf den Waldboden, dann nahm er das Blatt an sich. Es
war etwas feucht vom Morgentau. Er faltete es auseinander. Darauf hatte jemand
mit einem Bleistift (in perfekter Mädchenhandschrift, wie Markus fand) etwas
geschrieben:
Hey Markus heute (Sonntag)
und Montag und Dienstag hab ich keine Zeit
da fahren wir zu Verwandten.
Treffen wir uns am Mittwoch
in der Schule in der großen Pause
in dem Raum wo immer der Bäcker hinkommt?
Sophie :-)
Statt
des i-Punkts in Sophie hatte sie ein Herzchen hingemalt, wie es viele Mädchen
in ihrem Alter gern machten. Sein Herz machte einen kleinen Hüpfer. Mittwoch
war der erste Tag an dem sie wieder Schule hatten, und zum ersten Mal in seinem
Leben freute er sich auf das Ende der Ferien. Er steckte das Blatt, das
eindeutig von ihrem Zeichenblock stammte, in seine Hosentasche und machte sich
wieder auf den Weg nachhause.
Markus
sah auf seine Uhr: Mittwoch, 3. April 2013. Erster Schultag nach den Ferien.
Vor der großen Pause hatte er Mathematik, Physik und Geschichte. Er freute
sich, seine Freunde wiederzusehen, auch wenn er die meisten noch nicht so gut kannte,
da er ja noch nicht lange hier zur Schule ging. Mathe und Physik war immer eine
Qual für ihn, da er beides nie so recht verstand, vor allem so früh am Morgen. Geschichte
hingegen mochte er gern, im Moment besprachen sie den Imperialismus, ein Thema,
das er sehr interessant fand. Dann war auch diese Unterrichtsstunde vorbei und
er ging zu dem Raum, den Sophie beschrieben hatte. Er war sowieso fast immer in
der großen Pause dort, um sich dort eine Jause beim Bäcker zu kaufen. Außerdem
stand dort ein Tischfußballtisch, auf dem sie manchmal spielten. Er sah sich
um, konnte sie aber nirgendwo sehen, und kaufte sich deshalb erstmal ein
Käseweckerl vom Bäcker, welches er aß, während er darauf wartete, dass sie
auftauchte.
Das tat
sie aber nicht. Als die Pause fast vorüber war, beschloss er, am Klassenzimmer
der 3R1 vorbeizugehen, bevor er zu seiner eigenen Klasse zurückging. Es kostete
in etwas Überwindung, in die Klasse hineinzusehen, da er dort niemanden kannte.
Er ließ seinen Blick schnell durch den Raum schweifen. Die meisten Stühle waren
besetzt, einige Schüler standen noch herum. Sophie konnte er allerdings auch
hier nicht entdecken. Vielleicht war sie krank? Auf dem Weg zurück zu seiner
Klasse musste er etwas schneller gehen, damit er noch vor dem Läuten dort war.
Der Geographielehrer kam gleich nach ihm.
Natürlich
war es leicht möglich, dass Sophie krank geworden war und deshalb heute nicht
in die Schule hatte gehen können, aber es ließ im trotzdem keine Ruhe. Er riss
ein Blatt aus seinem Collegeblock, schrieb »Kennst du eine Meilinger Sophie aus
der 3R1?« darauf und schob es zu seinem Freund Thomas hinüber, der neben ihm
saß. Thomas las die Zeile, kritzelte etwas darunter und schob den Zettel
grinsend zurück. »ist das deine Freundin?« stand dort in krakeliger Schrift. Markus
errötete leicht, was seinem Freund hoffentlich nicht auffiel. »haha. sehr
witzig. ja oder nein?« schrieb er. Thomas überlegte einige Zeit, nachdem er es
gelesen hatte. Dann schien ihm etwas eingefallen zu sein. Markus starrte das
Blatt regungslos an, nachdem er gelesen hatte, was sein Freund geschrieben
hatte. Er vergaß, wo er war, sah nur die Worte vor ihm: »verarschst du mich?
das war doch die die voriges Jahr bei der Gasexplosion gestorben ist oder?«. Er
las die Worte immer wieder, aber sie schienen einfach keinen Sinn zu ergeben.
Verarschte ihn sein Freund? Aber das war nicht die Art Witz, die er von Thomas gewohnt
war. Dann schrieb er mit zitternder Hand: »Was?????? bist du dir sicher? ich
war doch voriges Jahr noch nicht da«. »ja ganz sicher. vielleicht vertust du
dich mit dem Namen?« Markus sah den Jungen an. Er wirkte vollkommen ernst, ja
sogar etwas betrübt. Es war kein Witz. »gibt es noch eine andere Sophie in der
3R1?« schrieb er zurück. »nein« war Thomas’ Antwort.
Von den
restlichen Schulstunden (insgesamt hatten sie heute sechs) bekam Thomas nichts
mehr mit. In seinen Gedanken gab es nur ein Thema: Sophie. Vielleicht hatte er
ihren Namen wirklich falsch in Erinnerung? Sie hatte ihn ihm ja nur einmal
gesagt. Aber so Recht glaubte er das nicht. In der Pause bestätigte ihm Thomas
nur, was er ihm bereits während der Stunde schriftlich gesagt hatte. Markus tat
so, als hätte er sich mit dem Namen vertan, damit Thomas ihn in Ruhe ließ. In
seinem Kopf ging er alle möglichen Szenarien durch, aber nichts ergab wirklich
Sinn. Wo war Sophie? Wie konnte es sein, dass ein Mädchen, das genauso wie sie
hieß, im Vorjahr gestorben war? Wie ein Zombie schlurfte er nach der Schule zum
Bus und fuhr nachhause. Die Welt um ihn herum kam ihm nicht real vor, er
bewegte sich wie ferngesteuert.
Als er
endlich zuhause war, schaltete er sofort seinen Laptop ein. Er musste wissen,
was es mit dieser Gasexplosion und dem toten Mädchen auf sich hatte. Es kam ihm
noch länger als sonst, bis der PC endlich hochgefahren war und der Browser sich
geöffnet hatte. »gasexplosion 2013 bezirk lilienfeld« tippte er mit zitternden
Fingern in die Suchleiste. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Er drückte Enter.
Er klickte auf das erste Ergebnis, ein Zeitungsartikel mit dem Titel
»Gasexplosion in Rohr«.
Gasexplosion in Rohr
13-jähriges Mädchen tot
12. April 2012
Niederösterreich – Eine Gasexplosion in
einem zweistöckigen Einfamilienhaus in Rohr im Bezirk Lilienfeld hat gestern,
am Mittwoch den 11. April, kurz vor 16:00, der 13-jährigen Sophie M. das Leben
gekostet. Sie war die einzige Person, die sich zur Zeit des Unfalls im Haus
befand, ihre Eltern waren beide an ihrem Arbeitsplatz. Die Ursache für den
Unfall ist noch unbekannt.
Markus
las nicht weiter, sondern starrte auf das Bild neben dem Text, das aufgetaucht
war, als er nach unten gescrollt hatte: Es war Sophie, ganz ohne Zweifel. Sie
lächelte ihn aus dem Bildschirm heraus an, ihr Gesicht eingerahmt von ihren
blonden Haaren, genauso, wie er sie erst vor ein paar Tagen gesehen hatte. Nun
gab es keine Zweifel mehr, Thomas hatte nicht gelogen, hier stand, schwarz auf
weiß, dass Sophie tot war. Aber dadurch ergab es auch nicht mehr Sinn. Wie zur
Hölle konnte Sophie vor fast einem Jahr gestorben sein? Unter ihrem Bild war
ein Foto des zerstörten Hauses. Das Gebäude war komplett in sich
zusammengestürzt, es war nur noch ein Haufen aus Dachziegeln, Dachbalken und Mauertrümmern. Als hätte eine Bombe
eingeschlagen. Was ja im Grunde auch passiert war, nur dass die Explosion im
Haus selbst passiert war. Markus stellte sich vor, wie Sophies toter Körper
unter den Trümmern begraben lag. Tränen liefen seine Wangen herab, der
Bildschirm verschwamm vor seinen Augen. Nein, das konnte einfach nicht wahr
sein!
Er
wischte sich die Tränen aus den Augen und klickte zurück zu den Suchergebnissen,
wählte andere Artikel aus, überflog sie. Alle enthielten die gleichen
Informationen wie der erste. Auf einer Trauerseite fand er ihren Partezettel[2],
auf dem Ort und Datum des Begräbnisses angegeben waren, und ein anderes Bild
von ihr, in dem sie unbeschreiblich hübsch aussah. Darunter waren Kommentare
von Menschen, die ihren Eltern ihr Beileid aussprachen. Das alles kam Markus so
unglaublich surreal vor. Er hatte die Beweise vor sich, es konnte kein Zufall
sein, die Details stimmten einfach zu genau.
Er
suchte verzweifelt nach einer Erklärung. Aber in welche Richtung er auch
dachte, ihm viel nichts ein, dass auch nur annähernd Sinn ergab. Dann hatte er
plötzlich einen vollkommen absurden Gedanken: Zeitreise. Der Gedanke war so
blöd, dass er fast lachen musste. Trotzdem ließ er ihn nicht los. Das wäre eine
Erklärung. Wohl die einzige, die es möglich machen würde, dass er mit einem
Mädchen zusammen gewesen war, das seit einem Jahr tot war. Wenn es sowas wie
Zeitreise tatsächlich geben würde.
Er
begann, den Gedanken zu verfolgen. Mittlerweile fühlte sich seine Situation so
bizarr an, dass ihm das nicht einmal besonders ungewöhnlich vorkam. Also: Entweder
war er ein Jahr in die Vergangenheit gereist, oder Sophie ein Jahr in die
Zukunft. Mehrmals. Wie? Dazu fiel ihm nichts ein. Es schien mit der Lichtung
zusammenzuhängen, das war schließlich der einzige Ort, an dem sie sich je
gesehen hatten. Okay, weiter. Er wusste, dass sie gleichzeitig mit ihm
Osterferien gehabt hatte. Und aus seinen Gesprächen mit ihr, und aus der
Nachricht, die sie ihm hinterlassen hatte, wusste er, dass auch die Wochentage
übereinstimmten. Ebenso die Uhrzeit, sonst hätten sie sich nicht immer zu einer
bestimmten Zeit treffen können. Welcher
Tag wäre dann bei ihr der heutige? Er suchte im Browser nach »ostern 2012«. Das
erste Ergebnis sagte ihm, dass 2012 der Ostersonntag am 8. April gewesen war. Also
war der Mittwoch der … 11. April. Sophies Todestag. Er sah auf die Uhr: 15:21.
Also würde sie in 39 Minuten sterben.
Nein!
Was für ein Blödsinn. Zeitreise?! Und doch… Was, wenn er recht hatte? Was, wenn
Sophie wirklich in Lebensgefahr war, und er sie retten konnte? Das konnte er
nicht einfach ignorieren, auch wenn es noch so unwahrscheinlich war. Aber wo
würde er überhaupt anfangen, er wusste ja nicht einmal, wie er in die
Vergangenheit reisen sollte. Er fasste einen Entschluss: Er würde erst einmal
so tun, als ergäbe seine absurde Theorie tatsächlich Sinn. Ihm fiel einfach
nichts Besseres ein. Zuerst würde er zur Lichtung gehen, sein einziger
Anhaltspunkt. Bevor er das Haus verließ, druckte er noch schnell den
Zeitungartikel aus und steckte das Blatt zusammengefaltet in seine Hosentasche.
15:22.
Noch 37 Minuten. Zu Fuß brauchte er meistens fast eine halbe Stunde, wenn er
langsam ging. Er würde sich beeilen müssen. Markus sprintete die Straße
entlang, hinein in den Wald. Die Blätter raschelten laut unter seinen Füßen.
Nach ein paar Minuten hatte er Seitenstechen, aber er ignorierte es, so gut er
konnte. Endlich hatte er die Lichtung erreicht. 15:31 zeigte ihm seine Uhr. Der
Junge sah sich auf der Lichtung um, verschwitzt und nach Atem ringend. Nichts
kam ihm ungewöhnlich vor. Er trat an den Abhang heran, über den Sophie immer
gekommen und gegangen war, und ließ seinen Blick nach links und rechts
schweifen. Nichts. Oder doch? Etwas kam ihm falsch vor. Er ging zu den beiden
großen Tannen, zwischen denen das Mädchen immer hindurchgegangen war. Es sah am
linken Stamm vorbei, dann zwischen den beiden Stämmen hindurch. Hin und her. Beide
Male sah er den gleichen Waldboden. Aber er war nicht ganz gleich, oder?
Details schienen anders zu sein. Ungläubig hob er den Steinen auf, mit dem
Sophie die Nachricht an ihn beschwert hatte, und warf ihn zwischen den Tannen hindurch.
Er rollte ein Stück und blieb dann liegen. Markus sah am linken Baum vorbei.
Der Stein war verschwunden! Er keuchte vor Überraschung und ihm wurde leicht
schwindelig. Was er sah, verletzte alle Naturgesetzte, das konnte einfach nicht
wahr sein. Und doch schien es so zu sein. Er konnte den Stein nur sehen, wenn
er zwischen den beiden Bäumen durch sah. Ein Zeitportal. Zwischen zwei Tannen.
Er sah auf die Uhr: 15:35. Er hatte keine Zeit, lange zu überlegen. Er zögerte
noch einen Moment, dann trat er zwischen den beiden Bäumen hindurch.
Nichts
schien zu passieren. Wenn er gerade wirklich durch die Zeit gereist war, dann
auf höchst unspektakuläre Weise. Er warf den Stein zurück auf die Lichtung. Das
Phänomen wiederholte sich, nur, wenn durch das Portal zwischen den Bäumen hindurchsah,
war der Stein zu sehen. War er wirklich im Jahr 2012? Er hatte keine
Möglichkeit, das herauszufinden, er musste einfach davon ausgehen. So schnell
er konnte ging er den steilen Abhang hinab, wobei er jeden Moment auszurutschen
drohte. Als er die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte, stolperte er plötzlich
über etwas und fiel der Länge nach hin. Er stöhnte vor Schmerz laut auf.
Unaufhaltsam rutschte er den Abhang hinunter, bis er schließlich unten
angekommen war. Einen Moment lang lag er einfach nur da. Sein Herz schlug wie
wild, alles tat ihm weh. Langsam richtete er sich auf. Er war leicht benommen,
aber er schaffte es, auf die Beine zu kommen. Seine rechte Handfläche blutete,
sein linkes Knie schmerzte ebenfalls. Als er probeweise einen Schritt machte,
fiel er fast wieder um. Er hatte sich den rechten Knöchel verstaucht.
»Scheiße!«,
sagte er zu sich selbst.
Markus
sah sich um. Er stand auf einem Wanderweg. In welche Richtung musste er? Er
versuchte sich daran zu erinnern, wohin Sophie gezeigt hatte, als sie ihm bei
ihrer ersten Begegnung erzählt hatte, wo sie wohnte. Nach links. Er musste nach
links, den Pfad entlang. Humpelnd machte er sich auf den Weg. Bei jedem Schritt
verzog er das Gesicht, sein Knöchel tat höllisch weh. Er kam einigermaßen zügig
voran, aber es kam ihm qualvoll langsam vor. Der Gedanke an Sophie trieb ihn
voran. Bilder von ihrer Leiche tauchten immer wieder in seinem Kopf auf, er
versuchte vergeblich, sie zu verscheuchen. Die Minuten verstrichen. Er atmete
schwer vor Anstrengung, seine Unterarme glänzten vor Schweiß. Endlich endete der Waldweg und er erreicht
eine schmale, asphaltierte Straße. Ein Stück weit nach rechts standen die
ersten Häuser. Markus humpelte weiter, bis er das erste erreichte. Dann blieb
er stehen. Er hatte kein einziges Mal daran gedacht, wo genau Sophie denn
eigentlich wohnte. Verdammt! Was sollte er tun? Er sah wieder auf die Uhr:
15:45. Er beschloss, beim ersten Haus zu klopfen und sich zu erkundigen. Aber
auch nach mehrmaligem, wildem Klopfen öffnete niemand die Tür. Verzweifelt ging
er zum nächsten Hause. Er wollte schon weitergehen, als auch hier niemand
zuhause zu sein schien, aber dann hörte er Schritte, das Klimpern eines
Schlüssels und das Schloss, das mit einem Klick geöffnet wurde. Die Tür ging
auf, vor ihm stand kleiner Junge, vielleicht sieben oder acht Jahre alt.
»Hallo«,
sagte er fröhlich.
»Hallo«,
sagte Markus, nach Atem ringend. »Weißt du, ihn welchem Haus die Meilingers
wohnen?«
»Meilinger?
Die kenn ich nicht.«
»Ihre
Tochter heißt Sophie!«
»Ah,
die Sophie, die kenn’ ich, die ist lieb. Die passt manchmal auf mich auf, wenn
meine Eltern nicht da si-«
»Wo wohnt
sie?«, unterbrach Markus den Jungen.
Der
Junge deutete die Straße entlang.
»Da, in
dem blauen Haus dort.«
Markus
erkannte sofort, welches Haus gemeint war.
»Danke!«,
rief er, während er schon weiterlief, so schnell, wie es sein Knöchel zuließ.
Im nächsten Moment stoppte er und drehte sich um.
»Welcher
Tag ist heute?«
»Mittwoch«,
sagte der kleine Junge.
»Welches
Datum?«
Der
Junge überlegte einen Moment.
»Der
11. April«, sagte er dann.
»Und
welches Jahr?«
»Welches
Jahr?« Der Junge sah Markus verwundert an.
»Ja,
bitte, welches Jahr?«
»2012
natürlich!«, sagte der Bub lachend.
»Danke!«,
rief Markus noch einmal, und rannte ihn Richtung des Hauses, auf das der Junge
gezeigt hatte. 11. April 2012. Er hatte Recht gehabt. Er war in der
Vergangenheit. Und Sophie würde in ein paar Minuten sterben.
Endlich
erreichte er Sophies Haus. 15:51. Er drückte den Klingelknopf, die am
Gartenzaun neben dem einem kleinen Schild mit der Aufschrift »Meilinger«
angebracht war. Niemand kam zur Tür. Er probierte das Tor im Zaun. Abgeschlossen.
Ohne zu überlegen, schwang er sich über den niedrigen Zaun. Er landete zuerst
auf seinem rechten Fuß. Ein gleißender Schmerz schoss durch seinen Knöchel, er
ächzte laut, aber irgendwie schaffte er es, auf den Beinen zu bleiben. Humpelnd
lief er zur Haustür und hämmerte wie wild dagegen. Er klopfte so lange, bis
seine Knöchel schmerzten. Nichts. Er probierte die Türschnalle. Auch
zugesperrt. Vielleicht gab es eine Hintertür? Er umrundete das Haus, und
tatsächlich, da war eine Tür. Er riss die Klinke nach unten, nur um
festzustellen, dass auch diese Tür verschlossen war. Was jetzt? Panisch sah er
sich um. Und dann entdeckte er es: ein geöffnetes Fenster! Er konnte sein Glück
kaum fassen. Schnell kletterte er hindurch und fand sich in einem gefliesten
Raum wieder. Waschmaschine und Trockner an der Wand, Wäschekörbe voll Wäsche, Geruch
nach feuchtem Stoff und Waschpulver in der Luft. Wo konnte Sophie sein?
»Sophie!«,
schrie er. »SOPHIE!«
Keine
Antwort. Er verließ den Raum durch die einzige Tür. Ein Gang. Links die
Hintertür, rechts am Ende des Ganges eine Art Vorraum und die Haustür. Er lief
dorthin, links sah er eine Küche, rechts ein Wohnzimmer mit Couch und
Fernseher, hinter ihm, links von dem Gang, eine Treppe.
»SOPHIE!«,
rief er abermals. Nichts.
Er
rannte die Treppe nach oben, drei hölzerne Stufen auf einmal nehmend. Ein
weiterer Gang, mehrere verschlossene Türen. Wieder brüllte er ihren Namen. Sein
Blick fiel auf die Tür rechts von ihm. Daran war ein »Herr der Ringe«-Poster,
und darüber ein hölzernes Schild mit bunten Buchstaben: SOPHIE. Er riss die Tür
auf. Da war sie! Sophie lag auf einem Bett, große Kopfhörer auf dem Kopf, nur
in T-Shirt und Unterhose. Sie sah auf und starrte ihn vollkommen entgeistert
an.
»Markus?!«
Sie riss sich die Kopfhörer vom Kopf. »Was machst du hier?«
»Wir
müssen raus hier!«
»Wovon
redest du bitte? Wieso kommst du einfach so hier rein?!«
Sie
stand auf, nahm einen Rock aus einem Kleiderschrank an der Wand und zog ihn
sich an, während sie ihn weiter anstarrte.
Markus packte
sie am Arm.
»Das
Haus fliegt gleiche in die Luft, wir müssen sofort raus!«
Er zog
sie hinter sich her, sie folgte ihm ein paar Schritte, riss sich dann aber los.
»Erklär
mir jetzt sofort, was hier los ist!«, schrie sie.
»Dafür
ist keine Zeit! Bitte, glaub mir! Wir müssen aus dem Haus raus!«
Sie sah
ihn einen Moment lang an.
»Na
gut, aber wehe, das ist ein Scherz!«
Sophie
lief die Treppe hinab, Markus hinter ihr her. Der Schlüssel steckte ihn der
Haustür. Sie drehte ihn, öffnete die Tür und rannte hinaus. Sie wollte stehen
bleiben, aber Markus griff nach ihrem Arm und zog sie weiter. Als sie den
Gartenzaun fast erreicht hatten, hörten sie eine gewaltige Explosion und wurden
im gleichen Moment nach vorne gegen den Zaun geschleudert. Markus’ Kopf prallte
gegen einen Zaunpfahl. Benommen lag er da, das Gesicht im Gras. Langsam
rappelte er sich auf. Neben ihm tat Sophie das Gleiche. Er griff sich an die
Stirn und zuckte zusammen. Als er die Hand zurückzog, glänzten seine Finger
rot. Er sah sich um. Hinter ihm war das Haus, in Flammen und halb
zusammengestürzt. Leute kamen aus anderen Häusern gelaufen, schrien
durcheinander. Alle Geräusche waren seltsam gedämpft, und er hatte einen lauten
Tinnitus im Ohr. Alles schien sich langsamer zu bewegen, er stand einfach nur
geschockt da. Sophie nahm seine Hand und führte ihn bis zur anderen
Straßenseite, weg von dem brennenden Haus. Ihr Unterarm blutete, sie hatte eine
blutige Schramme auf der rechten Wange, ihre blonden Haare hingen ihr ins
Gesicht. Sie sagte etwas, aber er verstand sie nicht. Sie sagte es noch einmal:
»Geht es dir gut?«
Er
nickte automatisch, obwohl er sich alles andere als sicher war, ob das stimmte.
Die Wunde an seiner Stirn pochte schmerzhaft. Die Straße war jetzt voller
Menschen. Einige starrten das brennende Haus an, andere telefonierten, einige
kamen auf ihn und Sophie zu und fragten, wie es ihnen ginge und was passiert
sei. Sophie antwortete etwas, dass er nicht genau hörte.
Das
Geräusch eines näherkommenden Folgetonhorns riss ihn endlich aus seiner Trance.
Er war in der Vergangenheit. Die Polizei würde ihn befragen, und er würde keine
sinnvollen Antworten geben können. 2012 wohnte er mindestens einhundert
Kilometer von hier entfernt. Oder besser gesagt lebte sein jüngeres Ich dort.
In diesem Moment existierte er zweimal. Er verschob diesen absurden Gedanken
auf später, und konzentrierte sich auf das, was jetzt wichtig war: Er musste so
schnell wie möglich weg von hier. Aber vorher musste er noch mit Sophie reden.
Das
Mädchen stand noch immer neben ihm und sah entsetzt zu, wie ihr Zuhause langsam
niederbrannte.
»Sophie?«
Sie
drehte sich zu ihm.
»Hör
mir bitte gut zu, ich hab nicht viel Zeit.« Er holte das zusammengefaltete
Blatt aus seiner Hosentasche. Es kam ihm unwirklich vor, dass er es erst vor
einer Stunde ausgedruckt hatte. Er reichte es ihr. »Lies dir das durch. Komm
morgen um … vier am Nachmittag zur Lichtung, dann erkläre ich dir alles. Ich
muss jetzt weg.«
Verwirrt
sah sie zuerst das Blatt an, dann wieder ihn. »Wieso musst du weg?«
»Dafür
ist jetzt keine Zeit. Bitte, komm morgen zur Lichtung.« In der Ferne sah er
Blaulicht, das Folgetonhorn wurde immer lauter. »Bitte«, sagte er noch einmal.
Sie
nickte, und wollte dann etwas sagen, aber er drehte sich schon um und humpelte
so schnell er konnte davon. Der Weg zurück durch den Wald zur Lichtung und
weiter nachhause war eine einzige Tortur. Sein verstauchter Knöchel war
mittlerweile angeschwollen, jeder Schritt wurde zur Qual. Gleichzeitig
schmerzte die Wunde an seinem Kopf, und er musste ständig das Gemisch aus Blut
und Schweiß von seiner Stirn wischen, damit es ihm nicht in die Augen rann.
Irgendwie
schaffte er es nachhause. Zum Glück waren seine Eltern noch nicht zuhause,
sodass er duschen, seine Wunden reinigen und seine dreckige Kleidung wechseln
konnte. Er legte sich aufs Bett und
presste einen Kühlakku aus dem Gefrierschrank gegen seinen Knöchel, um den
Schmerz und die Schwellung etwas zu lindern. Während er so dalag, dachte er
darüber nach, was geschehen war. Er war in der Vergangenheit gewesen. Er hatte
Sophie das Leben gerettet. Das klang unglaublich verrückt, und doch war es
passiert. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Er griff seinem Tablet und suchte nach
»gasexplosion 2013 lilienfeld«. Sein Herz blieb stehen, als er das erste
Ergebnis sah: »Gasexplosion in Rohr«. Genau die gleiche Überschrift. War alles
umsonst gewesen, hatte er die Vergangenheit nicht verändert? Mit zitternder
Hand tippte er auf den Link. Seine Augen flogen über die Zeilen. »Die
13-jährige Sophie M. konnte noch rechtzeitig aus dem Haus flüchten. Ihre Eltern
waren zum Zeitpunkt der Explosion an ihren Arbeitsplätzen.« Daneben war ein
Bild von Sophie und ihren Eltern, die vor den Trümmern ihres Zuhauses standen. Sie
lebte! Er ließ sich auf seinen Polster zurückfallen und lachte und weinte vor
Erleichterung. Mit den Gedanken bei Sophie schlief er wenig später vor
Erschöpfung ein.
Sophie war wieder vor ihm
da. Ihr rechter Unterarm war einbandagiert und sie hatte ein Pflaster auf einer
Wange. Als er die Lichtung betrat, hielt sie den ausgedruckten Zeitungsartikel
hoch.
»Dadurch
hast du gewusst, dass das bei uns zuhause passieren würde?«
Markus
nickte.
»Aber
wie ist das möglich? Das Datum ist ein Jahr in der Zukunft! Und da steht, dass
ich tot bin!«
Er
deutete auf die beiden Tannen. »Weil das ein Zeitportal ist.«
Zuerst
glaubte sie ihm nicht. Und warum auch? Er glaubte es selbst immer noch nicht so
richtig. Er warf wieder einen Stein zwischen den Stämmen hindurch. Ungläubig
ging sie hin und her, schaute immer wieder durch das Portal und daran vorbei.
Dann ließ sie sich wieder auf der Bank nieder und saß fassungslos da. Er setzte
sich neben sie und erzählte ihr den Rest der Geschichte, angefangen damit, als
er in der Schule nach ihr gesucht hatte.
»Das
ist alles so verrückt«, sagte sie, als er fertig war. »Ich sollte eigentlich
tot sein.«
Eine Zeit
lang sagte keiner der beiden etwas. Markus starrte den Waldboden an. Plötzlich
machte Sophie ein Geräusch. Er sah auf. Tränen liefen ihr über die Wangen hinab.
Laut schluchzend vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen. Markus saß unbehaglich neben ihr. Sekunden vergingen,
das einzige Geräusch waren ihre lauten Schluchzer. Dann nahm er endlich seinen
Mut zusammen und legte ihr unbeholfen den rechten Arm um die Schultern. Im
nächsten Moment vergrub sie ihr Gesicht in seiner Brust und schlang ihre Arme
um ihn. Hemmungslos weinte sie in sein T-Shirt, während er dasaß und ihr verlegen
mit einer Hand den Rücken streichelte. Alles war ihm überdeutlich bewusst. Ihr
warmes Gesicht an seiner Brust, sein T-Shirt, das durch ihre Tränen langsam
feucht wurde, ihre Hände in seinem Rücken, ihre nackten Knie, die seine nackten
Beine berührten. So verstrichen einige Minuten. Langsam wurde ihr Weinen
weniger heftig, bis sie nur mir still an ihn gepresst dasaß. Schließlich löste
sie sich von ihm. Er war gleichzeitig enttäuscht und froh darüber, aus der peinlichen
Lage befreit zu sein. Ihre Haare waren zerzaust, ihr Augen gerötet. Für Markus
sah sie trotzdem immer noch unglaublich hübsch aus. Sie lächelte verlegen. Dann
ergriff sie seine Hand und drückte sie.
»Du
hast mir das Leben gerettet. Und du bist selbst fast gestorben, nur weil du mir
helfen wolltest. Wenn du mein Zimmer nicht so schnell gefunden hättest…« Sie
drückte seine Hand noch einmal. »Danke.« Sie deutete auf seine Stirn. »Tut es
sehr weh?«
»Nein«,
antwortete er. »Und deine Hand?«
»Es
geht.«
Einige
Zeit lang saßen sie Hand in Hand da. Die Bäume rauschten im Wind, Vögel
zwitscherten um sie herum. Markus war glücklich. Der Schock darüber, dass er
gestern so knapp mit dem Leben davongekommen war, war immer noch in ihm, aber
mit Sophie neben ihm war es nicht so schlimm. Irgendwann sagte sie, sie müsse
wieder zurück, weil sich ihre Eltern sonst Sorgen machen würden. Man konnte es
ihnen nicht verübeln, einen Tag nachdem ihre Tochter fast gestorben war.
Sie
verabschiedeten sich und Sophie trat durch das Portal. Plötzlich verschwand sie
vor seinen Augen, als hätte sie sich in Luft aufgelöst. Völlig perplex blickte
er dahin, wo sie gerade eben noch gestanden hatte. Was zur Hölle war da gerade
passiert? Es gab eigentlich nur eine logische Erklärung: Das Portal war
verschwunden. Er wiederholte das Experiment mit dem Stein, und tatsächlich, er
war sowohl dann sichtbar, wenn er zwischen den beiden Tannen hindurchsah, als
auch wenn er daran vorbeischaute. Markus’ Verbindung zur Vergangenheit, und zu
Sophie, war fort.
Als er am nächsten Morgen
in Gedanken versunken Richtung Eingang der Schule ging, sagte plötzlich jemand
»Hey!«. Vor ihm stand Sophie. War sie es wirklich? Sie sah irgendwie anders
aus.
»Du
bist größer geworden«, sagte er. Gestern war sie eindeutig kleiner als er
gewesen, jetzt waren sie fast gleich groß.
»Ich
hatte ja auch ein Jahr lang Zeit zum Wachsen«, antwortete sie grinsend.
Er
grinste zurück. Gemeinsam gingen sie auf das Schulgebäude zu.
23. Juli bis 6. November
2014
Geschrieben für
die Short Story Collab von @sm0kinggnu für das Juli-Thema »Zeitreisen«
Puh! eine sehr lange Kurzgeschichte. :) ich muss sagen, ich hatte Anfangs etwas Angst dass es etwas kitschig werden könnte aber dann kam die Wendung. Ich finde es sehr gut geschrieben. Ich fand es etwas witzig, dass Markus noch die Zeit hatte den Nachbarsjungen nach dem Datum und die Jahreszahl zu fragen, eher er weiterrannte obwohl es nur noch um Minuten ging. :) Das ist aber nur mein Meinung. Eine nette Idee und gut geschrieben. Wenn man brav bis zum Ende liest auch spannend.
AntwortenLöschenIch persönlich fand auch den Anfang einen Tick zu lang und zu ausführlich für eine Kurzgeschichte. Dennoch: gut gemacht :)